Olivier de Berranger

Macroscope: Ist die US-Inflation bereits besiegt?

„Der Kampf gegen die Inflation ist vorbei. Wir haben ihn zu sehr geringen Kosten gewonnen“. Diese Äußerung des 2008 mit dem Nobelpreis für Wirtschaft ausgezeichneten Paul Krugman auf X (ehemals Twitter) nach der Veröffentlichung der US-Inflationszahlen im September entfesselte einen Sturm der Kritik – ein durchaus gängiges Phänomen in den sozialen Netzwerken. Doch sein Siegesruf mag durchaus ein wenig verfrüht erscheinen.

Die Kontroverse um Paul Krugmans Inflationsmessung

Ein Maß für die Inflation, bei dem Preiserhöhungen ausgeblendet werden? Seinem Tweet war eine Inflationsgrafik von recht begrenztem Umfang beigefügt, weit entfernt vom durchschnittlichen Korb von Waren und Dienstleistungen eines US-Haushalts. Durch den Ausschluss von Lebensmitteln, Energie, Wohnen und Gebrauchtwagen reduziert er den Umfang des traditionellen Maßes der Konsuminflation um fast zwei Drittel. Zudem schönt Krugman mit seinem annualisierten Beobachtungszeitraum von lediglich sechs Monaten den Befund noch weiter und lässt die Teuerung auf nur 1,9 % sinken. Er berücksichtigt damit ausschließlich die Komponenten der Gesamtinflation, die zurzeit am schnellsten zurückgehen. Denn im September leisteten Wohnen, Energie und Lebensmittel die bedeutendsten Beiträge zum Anstieg der Preise über den vergangenen Monat wie auch über das vergangene Jahr.

Das weniger volatile Maß der Gesamtinflation, bei dem Energie und Lebensmittel unberücksichtigt bleiben, geht zwar tatsächlich seit einigen Monaten zurück. Doch die Schlacht scheint noch längst nicht gewonnen zu sein. Diese Inflationsniveaus liegen immer noch deutlich über dem Ziel der US-Notenbank (Fed) von 2 %. Die Mitglieder der Fed, von denen in jüngster Zeit viele Verlautbarungen zu vernehmen waren, gehen in den kommenden Monaten bzw. Quartalen von keinerlei Zinssenkungen aus, was darauf hindeutet, dass die Zinshüter die Meinung von Paul Krugman ganz und gar nicht teilen.

US-Wirtschaft im Aufwind trotz Straffungszyklus der Fed

Der zweite Satz seiner Äußerung „Wir haben ihn zu sehr geringen Kosten gewonnen“ scheint hingegen realistischer. Die Fed hat zwar die schnellste geldpolitische Straffung der vergangenen 40 Jahre vorgenommen, aber die Kollateralschäden dieser Politik haben bisher eher homöopathischen Charakter. Wenngleich sich aus den jüngsten Erhebungen zum Arbeitsmarkt trübe Aussichten für die künftige Entwicklung ergeben, herrscht in den USA immer noch Vollbeschäftigung. Auch das Wirtschaftswachstum konnte sich gut behaupten. Unterstützt von einem robusten Konsum und großzügigen Staatsausgaben wird es zurzeit mit +2,1 % für 2023 veranschlagt, nachdem es seit Jahresbeginn immer wieder nach oben korrigiert wurde. Die Finanzmärkte haben diesen Straffungszyklus schließlich ohne allzu heftige Erschütterungen überstanden, obwohl die finanziellen Bedingungen restriktiver werden.

Inflation als Daueraufgabe

Den Kampf gegen die Inflation für gewonnen zu erklären, erscheint angesichts der Lehren, die man aus der Wirtschaftsgeschichte ziehen kann, allerdings verfrüht. Inflationsschübe dieses Ausmaßes ereigneten sich zuletzt in den 1960er- und 70er-Jahren. Auf jeden dieser Inflationsschübe folgte ein Nachbeben, das die Fed zwang, ihre Geldpolitik erneut zu straffen. Dies bewirkte eine deutliche Konjunkturabkühlung oder sogar eine Rezession und gelegentlich eine radikale Straffung der Geldpolitik mit Zinsen, die knapp 20 % erreichten und fast 10 % über der in bestimmten Zeiten zu verzeichnenden Inflation lagen.

Der Krieg gegen die Inflation ist ein Abnutzungskrieg, der sich lange hinzieht. Sich zu früh vom Schlachtfeld zurückzuziehen und den Sieg auszurufen, kann verheerende Folgen haben. Bauen wir darauf, dass die Mitglieder der Fed dies im Hinterkopf haben – im Gegensatz zu manchen Wirtschaftskommentatoren.

 

 

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